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Außenansicht von Schloss Ambras bei Innsbruck. Die vielen Fenster sind mit rot-weiß-roten Fensterläden bestückt. Im Vordergrund ein Park.
Schloss Ambras bei Innsbruck; Bildrechte: Burkhard Mücke, CC BY-SA 4.0

bidok Newsletter August 2024

Liebe Leser:innen des bidok Newsletter!

Liebe:r Interessierte:r!

1. Neues aus der bidokbib

Wir weisen auf folgende neu in die bidokbib aufgespielte Texte hin. Alle sind barrierefrei gestaltet und offen zugänglich (Open Access). Das PDF/UA-Format der Texte hilft dabei, sie für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen.
Bereits über 1.000 Mal heruntergeladen
Der Reportage-Roman "Zündeln an den Strukturen" von Ottmar Miles-Paul wurde innerhalb weniger Wochen bereits über 1.000 Mal von der bidokbib heruntergeladen.

"Viele Menschen mit Behinderungen arbeiten in sogenannten Werkstätten. Für ihre Arbeit erhalten sie keinen Lohn oder kein Gehalt, sondern nur Taschengeld. Zudem fehlt ihnen der arbeitsrechtliche Schutz. Der seh- und hörbeeinträchtige Autor und Aktivist Ottmar Miles-Paul greift in seinem Roman „Zündeln an den Strukturen" dieses wichtige Thema auf, das viele Menschen mit Behinderungen betrifft. Die Benachteiligungen, die durch diese Strukturen entstehen, können gravierende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben, sowohl finanziell als auch in Bezug auf ihre gesellschaftliche Teilhabe.

Die Frage nach Alternativen ist besonders relevant, da viele Menschen sich eine inklusive Arbeitswelt wünschen, in der sie fair entlohnt werden und die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten in einem regulären Arbeitsumfeld einzubringen. Miles-Pauls Roman gibt einen literarischen Einblick in diese Thematik. Er schärft damit das Bewusstsein und regt mögliche Veränderungen an. Gemeinsam mit der fiktiven Figur Katrin Grund begibt sich der Autor auf die Suche nach alternativen Lösungen für Werkstätten [...]"
Logo der bidokbib, der barrierefreien digitalen Bibliothek von bidok.
Hinweise: Bei den Texten handelt es sich sowohl um Neu-Aufnahmen, als auch um Übersiedlungen aus der alten digitalen Bibliothek von bidok.

bidok
freut sich über die Einreichung von wissenschaftlichen, aber auch nicht-wissenschaftlichen Texten zu den Themen Behinderung und Inklusion. Reichen Sie Ihren selbst verfassten Text als Erst- oder Wieder-Veröffentlichung bei bidok ein! Schreiben Sie uns eine E-Mail!

2. bidok Autor:innen, Ausgabe 6 - Wolfgang Jantzen

In unserem Newsletter stellen wir Autor:innen der bidokbib vor. Bislang haben wir Georg Feuser, Swantje Köbsell, Peter Rödler, Ottmar Miles-Paul, Ines Boban und Andreas Hinz vorgestellt.

Heute stellen wir einen einen bidok-Autor vor, der leider nicht mehr am Leben ist: Wolfgang Jantzen.
Bücher von Wolfgang Jantzen; © bidok 2024
Wolfgang Jantzen
Wolfgang Jantzen wurde 1941 geboren und machte 1963 sein Abitur (Matura). Er studierte an den Universitäten Gießen und Marburg in Deutschland. Seine Abschlüsse waren das Lehramt und ein Diplom in Psychologie. Bereits ab Mitte der 1960er-Jahre arbeitete er als Lehrer an einer Schule für Menschen mit Lern-Behinderungen.

1972 promovierte er in Marburg in Erziehungs-Wissenschaft. 1974 wurde er Professor für Behinderten-Pädagogik an der Universität Bremen. Dort baute er den Lehramts-Studiengang und ab 1985 den Diplom-Studiengang Behinderten-Pädagogik auf. Er hatte Lehr-Aufträge an verschiedenen Universitäten, etwa 1987/88 an der damaligen Karl-Marx-Universität in Leipzig (zu dieser Zeit DDR).

Seit August 2006 war Wolfgang Jantzen im Ruhestand, aber weiterhin wissenschaftlich und gesellschafts-politisch aktiv. Etwa hatte er 2010 eine Forschungs-Professur in Brasilien, wo er ein Projekt mit indigenen Gemeinschaften leitete und Gast-Vorträge hielt.

Jantzen war ein Pionier der Disability Studies und der Behinderten-Pädagogik. Er entwickelte innovative Konzepte und trug wesentlich zur Theorie und Praxis der Behinderten-Pädagogik bei. Sein Werk "Allgemeine Behindertenpädagogik" gilt als zentraler Beitrag zu diesem Feld. (Das Buch kann bei uns im bidok-Büro ausgeliehen werden!)

Seine Arbeit war geprägt von einem tiefen Engagement für soziale Gerechtigkeit. Er war ein Verfechter der uneingeschränkten Teilhabe aller Menschen an gesellschaftlichen Prozessen. Er kritisierte Heime und Anstalten für Menschen mit Behinderungen und setzte sich für ein inklusives Bildungs-System ein. Dabei kämpfte er auch gegen konservative und reaktionäre Ideologien, die sich gegen die Inklusion von Menschen mit Behinderungen aussprachen. Sein Wirken und seine Ideen beeinflussen die heutigen Debatten über Inklusion.

Wolfgang Jantzen starb am 22. November 2020.
Veröffentlichungen von Wolfgang Jantzen in der bidokbib:

3. Ausstellung in Schloss Ambras: Schauen erlaubt?

Von 20. Juni bis 6. Oktober 2024 findet im Schloss Ambras bei Innsbruck die Sonder-Ausstellung "Schauen erlaubt? Vielfalt Mensch" statt.
"Bildnis eines behinderten Mannes" (16. Jahrhundert); Bildrechte: gemeinfrei
Die Ausstellung zeigt Bilder von Menschen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Diese stammen aus den Sammlungen von Erzherzog Ferdinand II. Sie wurden damals gesammelt, um die Vielfalt der Welt darzustellen. Viele ungewöhnliche Gemälde, interessante Beschreibungen und wissenschaftliche Objekte aus dieser Zeit sind bis heute erhalten geblieben.

Hinsehen oder Wegsehen? Ist Schauen erlaubt?

Die Ausstellung zeigt Bilder von Menschen, die nicht den damaligen Normen entsprachen. Zum Beispiel das "Bildnis eines behinderten Mannes" oder die "Haar-Familie". Es werden, wenn möglich, die Lebens-Geschichten der dargestellten Menschen erzählt. Auch wird die Darstellungs-Weise kritisch hinterfragt: Warum wurden solche Bilder gesammelt? Warum berühren uns diese Geschichten auch heute noch?

Die Ausstellung fordert die Besucher:innen auf, darüber nachzudenken, ob es in Ordnung ist, solche Bilder anzuschauen. Sie verwendet moderne Techniken wie Audio- und Video-Beiträge, um die historischen Objekte mit aktuellen Ansichten zu verbinden. Es gibt Texte in einfacher Sprache und verschiedene Hilfsmittel, um die Ausstellung für alle Besucher:innen zugänglicher zu machen. Vom "Bildnis eines behinderten Mannes" gibt es etwa ein Tast-Modell.

Außerdem wurde ein Aufzug eingebaut, um die Ausstellungs-Räume im zweiten Stock für alle leichter erreichbar zu machen.

(Quelle: Schloss Ambras, KHM-Museumsverband)

bidok hat sich die Ausstellung zusammen mit unserem Praktikanten Alexander angesehen und in den Sozialen Medien darüber berichtet.
Links:

4. Bildungs-Chancen für gehörlose Kinder

Das Bildungs-Ministerium in Österreich hat zwei Maßnahmen veröffentlicht, um ab 2025 die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) an Schulen zu unterrichten. Obwohl ÖGS verfassungs-rechtlich anerkannt ist, gab es bisher keine Lehrpläne dafür. Das hat gehörlosen Kindern den Zugang zum Bildungs-System erschwert.
Bundes-Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Wien; Bildrechte: CC0
Nun gibt es einen Lehrplan-Zusatz Hören/Kommunikation für die 1. bis 8. Schulstufe und einen Lehrplan ÖGS für die AHS-Oberstufe. AHS steht für "Allgemein-bildende Höhere Schule" und umfasst in Österreich Gymnasien und ähnliche Schulen, die zur Matura führen. Der Zusatz gilt ab 2025, der Lehrplan für die AHS ab 2026.

Es gibt Kritik, dass der Lehrplan-Zusatz nur für Kinder mit einem sonder-pädagogischen Förder-Bedarf ist und dass ein vollständiger Lehrplan nur für die AHS ausgearbeitet wurde. Helene Jarmer vom Österreichischen Gehörlosenbund (ÖGLB) betont, dass ÖGS eine vollwertige Sprache ist und nicht nur ein Mittel zur Überwindung einer Behinderung. Sie fordert, dass ÖGS in allen Schulstufen und -arten unterrichtet wird.

Der Lehrplan für die AHS erlaubt es allen Schülerinnen und Schülern, ÖGS zu lernen. ÖGS kann als zweite lebende Fremd-Sprache, Wahl-Pflichtfach oder Alternative zu Latein oder Alt-Griechisch gewählt werden. Dies hat in den Medien für Diskussionen gesorgt.

Die Gehörlosen-Community freut sich über diesen wichtigen Schritt zu einer barrierefreien und chancen-gleichen Bildung, möchte aber weiterhin dafür kämpfen, dass ÖGS in allen Schulen anerkannt und unterrichtet wird. (Quelle: BIZEPS)

5. Stille Stunde - in Ruhe Einkaufen

Manche Menschen können Reize wie Lärm oder Licht schlecht verarbeiten. Dazu gehören Autistinnen und Autisten, Menschen mit ADHS, Menschen mit psychischen Problemen, schwerhörige Menschen und ältere Menschen. Laute Umgebungen sind für sie anstrengend. Der Einkauf wird zu schwierig.
Symbol für Stille; Bildrechte: gemeinfrei
Die Stille Stunde kann helfen. Supermärkte können eine ruhige Umgebung schaffen. Sie können Geräusche reduzieren: Zum Beispiel Kassen-Geräusche verringern, Durchsagen vermeiden, laute Musik abschalten oder Regale außerhalb der stillen Stunde einräumen.
Helles Licht und Licht-Blitze werden verringert. Sonnen-Brillen werden am Eingang angeboten.

Es gibt einen Lageplan. Dieser hilft beim Finden der Sachen die man braucht. Der Plan warnt vor Reizen, zum Beispiel die Kälte der Kühlregale. Er zeigt, wo es laut ist. Der Einkauf wird vorhersehbarer.

Während der Stillen Stunde sind die Angestellten an den Kassen. Man muss weniger warten. Schulungen für Angestellte schaffen Bewusstsein.
Die Stille Stunde schließt niemanden aus. Alle sind willkommen. Alle können vom ruhigen Einkaufen profitieren. Auch für die Angestellten ist die Stille Stunde eine Erleichterung.

Das Projekt ist wichtig. Es ermöglicht allen Menschen ein gutes Einkaufs-Erlebnis. In Österreich gibt es bereits Supermärkte mit der Stillen Stunde. Sie wird gut angenommen. In Tirol gibt es das noch nicht. Wir wollen das ändern. Die Stille Stunde trägt zur Barriere-Freiheit im Handel bei.

(Text von Jasmin Brandner, Isabell Klausner und Alina Kühnel)

Weitere Informationen: Seit dem Sommer-Semester 2023 gibt am Institut für Mechatronik und Fertigungs-Technik das Projekt INNKlusion. Im Rahmen dieses Projektes wurde die Idee der Umsetzung der "Stillen Stunde" im Tiroler Handel eingebracht.

In diesem Rahmen wollen wir auch Alina Kühnel ganz herzlich zu ihrem Studien-Abschluss in Wirtschafts-Recht an der Universität Innsbruck gratulieren! Sie hat wärend ihres Studiums zahlreiche Hürden überwunden. Außerdem ist sie auch gesellschafts-politisch aktiv. Sie setzt sich für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein. Unter anderem ist sie Vorstands-Mitglied der Autisten-Hilfe Tirol und wirkt am Projekt Stille Stunde mit. In der UN-BRK ist inklusive Bildung als Recht verankert. Die Realität sieht leider anders aus - noch immer gilt es zahlreiche Hürden für Menschen mit Behinderungen zu überwinden.
Link:

6. Nachruf: Adolf Ratzka

Adolf Ratzka, ein bedeutender Aktivist der Selbstbestimmt Leben Bewegung, ist im Alter von 80 Jahren bei einem Unfall verstorben.

Adolf Ratzka wurde am 20. November 1943 in Deutschland geboren und wuchs zunächst in Bayern auf. Mit 17 Jahren erkrankte er an Polio und muss daraufhin 5 Jahre in diversen Krankenhäusern verbringen, weil es keine rollstuhl-gerechten Wohnungen gibt. Mit 22 nutzte er die Chance und ging zum Studium in die USA. In Los Angeles (Kalifornien) lebte er mit elektrischem Rollstuhl, Beatmungs-Gerät und persönlicher Assistenz ohne familiäre Unterstützung oder Bekannte.

In den 1970er-Jahren zog er nach Schweden, wo er in den Bereichen "barrierefreier Wohnungs-Bau" und "De-Institutionalisierung" (Abbau von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen) forschte. Dort lebte er bis zuletzt, weil er in Schweden - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern - die Unterstützungs-Leistungen bekam, die er für ein selbst-bestimmtes Leben benötigte.

Adolf Ratzka leistete einen großen Beitrag für eine inklusive Gesellschaft. Er war ein aktives und engagiertes Mitglied der europäischen Selbst-Bestimmt Leben Bewegung und war unter anderem Gründungs-Mitglied des "European Network on Independent Living" (ENIL).

Sein Tod löste weltweite Trauer aus. Ratzka galt vielen als Vorbild und Mentor. Er verstarb am 21. Juli 2024 in Stockholm nach einem schweren Unfall während eines Spaziergangs. Sein Lebenswerk wird als wichtiger Beitrag zur Ermöglichung eines selbst-bestimmten Lebens für Menschen mit Behinderungen gewürdigt.

(Quellen: BIZEPS, ENIL)
Links:

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